Was ist EMDR?
Die Abkürzung EMDR steht für „Eye Movement Desensitization and Reprocessing“.
Diese kurzzeittherapeutische Methode entwickelte die Amerikanerin Dr. Francine Shapiro ab 1987.
Charakteristisch für die Therapie sind die Augenbewegungs-Sets.
Wie in der REM-Phase im Traumschlaf bewegen sich die Augen schnell hin und her, sie werden dabei durch Handbewegungen des Therapeuten „geführt“.
Ursprünglich getestet und entwickelt für die effiziente Bearbeitung von traumatischen Erlebnissen hat diese Methode inzwischen eine Vielzahl von Anwendungen erfahren, insbesondere in der effizienten Behandlung von Angst- und Selbstwertstörungen, Panikattacken, Phobien und Leistungsblockaden.
Die Wirksamkeit von EMDR ist durch eine höhere Anzahl von Publikationen wissenschaftlich nachgewiesen worden als irgendeine andere klinische Behandlungsform für psychische Traumata.
EMDR als Psychotherapiemethode
EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) ist derzeitig die Therapiemethode mit den eindeutig meisten kontrollierten und unkontrollierten Therapiestudien zur Behandlung von PTSD.
Im EMDR sind neben den Erkenntnissen aus der neurophysiologischen Forschung sehr viele Erfahrungen aus der psychodynamischen, aber auch aus der kognitiv-behavioralen Therapie enthalten. Die Methode ist von der Haltung her klientenzentriert. Sie lässt sich sehr gut in die meisten Psychotherapien verschiedener Schulen integrieren. Die Erfolgsquote bei der Behandlung von PTSD (Posttraumatisches Belastungssyndrom) liegt je nach Klientel (und Studie) zwischen 75 und 100%.
EMDR basiert auf der Beobachtung, dass sich psychische Belastungen verringern, wenn die Augen schnell und rhythmisch bewegt werden, während der Betroffene an das belastende Ereignis denkt. Shapiro erforschte dieses Phänomen systematisch und entwickelte eine Methode mit einem Standardprotokoll für die Behandlung psychotraumatischer Belastungen, das sich in acht Schritte unterteilen lässt:
I.
In der ersten Phase wird unter besonderer Beachtung der Traumageschichte eine gründliche Anamnese erhoben, wobei bestehende Ressourcen und dysfunktionales Verhalten festgestellt und eine genaue Diagnose gestellt wird. Die Indikation wird überprüft und der Behandlungsplan erstellt.
II.
In der Phase der Vorbereitung, der zweiten Phase, werden der Behandlungsplan, das methodische Vorgehen und Sicherheitsvorkehrungen besprochen, eventuelle Risiken abgeklärt und der Klient wird durch die Vermittlung von imaginativen Techniken und Entspannungsverfahren stabilisiert.
III.
In der dritten Phase findet die Bewertung der traumatischen Erinnerung statt. Das Trauma wird evaluiert und in seinen visuellen, affektiven und sensorischen Komponenten erfasst. Ebenso wird die Auswirkung auf das Selbstbild hinterfragt und bewertet. Relevante negative Kognitionen und Alternativen werden gesucht und überprüft.
IV.
In der vierten Phase findet die eigentliche Bearbeitung durch Desensibilisierung und Reprozessierung statt.
Nun wird der Klient angeregt, sich auf die traumatische Erinnerung mit ihren visuellen, affektorischen und sensorischen Komponenten zu konzentrieren und den ablaufenden Prozess zuzulassen, während die Therapeutin mit der Hand bilaterale Augenbewegungen induziert oder auch andere alternative bilaterale Stimuli anwendet.
Normalerweise führt das sehr rasch zu einer Veränderung in den einzelnen Komponenten, oder es treten spontane Assoziationsketten ähnlich denen einer Psychoanalyse auf. Bei ca. einem Drittel der KlientInnen kommt es zu emotionalen Abreaktionen, die jedoch wegen des schnellen Prozessierens weniger belastend sind, die allerdings natürlich sehr kompetent begleitet werden müssen, damit keine Retraumatisierung passiert.
Die Stimulationen werden so lange fortgesetzt, bis es keine Veränderungen mehr gibt. Am Ende des Prozesses ist die Belastung normalerweise auf das für heute angemessene Mass zurückgegangen. Das Erlebnis kann jetzt in die eigene Biographie integriert werden.
V.
Die fünfte Phase ist die Phase der Verankerung. Jetzt wird die in der dritten Phase gewünschte positive Kognition mit der Ausgangserinnerung verbunden. Sie scheint durch nochmalige bilaterale Stimulation verstärkt und besser aufgenommen zu werden.
VI.
In der sechsten Phase findet ein Körpertest statt, indem die PatientIn in Gedanken durch ihren Körper geht und nachspürt, ob und wo sie angenehme oder unangenehme Empfindungen hat. Die angenehmen werden verstärkt, die unangenehmen so lange bearbeitet, bis sie sich auflösen. Erst wenn der Körper ganz entspannt ist und nirgends mehr Belastung spürbar ist, ist auch das Trauma vollständig bearbeitet.
VII.
In der siebten Phase, also der Abschlussphase, werden die in der Behandlung gemachten Erfahrungen und mögliche später auftretende Phänomene besprochen. Falls die Sitzung inkomplett war, das heisst, falls die Belastung nicht vollständig aufgehoben war, werden Distanzierungstechniken eingesetzt und weitere Verhaltensmassnahmen vermittelt.
VIII.
In der nächsten Sitzung findet die Phase der Nachbefragung statt. Jetzt wird noch einmal überprüft, ob die erreichten Änderungen stabil sind, bevor ein eventuell neues Thema angegangen werden kann.
Bei sequentiell traumatisierten Menschen bleibt häufig bei den ersten Behandlungen noch eine Restbelastung, wenn diese allerdings gering ist und die positive Kognition als sehr stimmig erlebt wird, kann eine weitere traumatische Situation als Ziel zur Verarbeitung anvisiert werden.
Wie die bilaterale Stimulation die Verarbeitung genau bewerkstelligt, muss noch genauer untersucht werden, bislang haben wir lediglich Hypothesen. Die beim EMDR durchgeführten Augenbewegungen, sensorischen Impulse oder akustischen Reize scheinen die Kommunikation der Grosshirnhemisphären zu stimulieren. Der genaue Wirkmechanismus von EMDR ist bisher unbekannt und bedarf weiterer Forschung. Shapiro postulierte ein Informationsverarbeitungssystem im Zentralnervensystem. Durch die Reizüberflutung während einer traumatischen Situation scheint dieses System zum Teil blockiert zu werden. Eine Hypothese lautet, dass durch die bilateralen Stimulationen diese Blockade überwunden werden kann. Beobachtungen zeigen, dass während einer EMDR-Sitzung Informationen sogar beschleunigt verarbeitet werden und es zu einer kognitiven Umstrukturierung kommt.
Im Behandlungsplan wird eruiert, welche traumatisierenden Ereignisse besonders typisch für das gesamte Traumaerleben sind und welche negativen Selbstaussagen am meisten blockieren. In der ersten Desensibilisierungs- und Reprozessierungs-Sitzung wird in der Regel die frühste traumatische Erfahrung bearbeitet, es folgen dann die Bearbeitungen der belastendsten, also der schlimmsten Erfahrungen, das letzte Bearbeitungsziel ist die Verarbeitung der letzten traumatischen Erfahrung.